Sachverständigenwesen

Sachverständigenwesen

Die Bedeutung der Sachverständigentätigkeit

In unserem hochtechnisierten und hochspezialisierten Lebensalltag kommen Bürger kaum noch ohne die Inanspruchnahme von Sachverständigen aus. Häufig sind die Bürger auf Sachverständige angewiesen, weil sie mangels eigener Kenntnis viele Sachverhalte nicht mehr beurteilen bzw. bestimmte Geschehensabläufe nicht mehr nachvollziehen können, beispielhaft seien hier die Aufklärung eines Autounfalls oder der Nachweis eines möglichen ärztlichen Kunstfehlers erwähnt. Nicht nur Bürger, sondern auch Regierungen und Parlamente lassen sich immer häufiger von Sachverständigen beraten; Gerichte benötigen Sachverständige zur Aufklärung entscheidungsrelevanter Sachverhalte. Diese nur beispielhafte Aufzählung zeigt, dass sich Sachverständige in unserem Wirtschaftsleben schon seit längerem etabliert haben. Staat, Justiz, Wirtschaft und Verbraucher sind immer regelmäßig auf die Hilfe unparteiischer Sachverständiger angewiesen. Der Sachverständige unterstützt sie durch die sachkundige Feststellung von Tatsachen, die fachliche Beurteilung von Sachverhalten, die Übermittlung von Erfahrungsgrundsätzen und die Erklärung von Geschehensabläufen.

1. Definition des Sachverständigen, Führung der Bezeichnung „Sachverständiger“

Es gibt trotz der vielfältigen Tätigkeiten von Sachverständigen keine Legaldefinition des Sachverständigen. Auch wer sich als Sachverständiger bezeichnen kann, ist vom Gesetzgeber nicht geregelt worden. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist der Sachverständige ein Spezialist auf einem eng definierten Sachgebiet, das i.d.R. einen Teilbereich eines Berufs bildet (BVerwG, GewArch 1973, 263). Der Angehörige eines Berufes wird allerdings erst dann zum Sachverständigen, wenn er sich auf einem abgrenzbaren Gebiet seines Berufes besondere Detailkenntnisse verschafft hat. Aus Rechtsprechung und Sachverständigenordnungen von Körperschaften, die Sachverständige öffentlich bestellen, ergeben sich nachfolgend genannte, allgemeine Voraussetzungen für die Sachverständigentätigkeit:

  • Überdurchschnittliche Fachkenntnisse auf dem jeweiligen Betätigungsgebiet,
  • praktische Erfahrung und die Fähigkeit, Gutachten zu erstatten,
  • Unparteilichkeit und Unabhängigkeit (Objektivitätsgebot) sowie
  • ein Leben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen

Die Führung der Bezeichnung Sachverständiger ist zwar nicht an eine behördliche Zulassung, ein Darlegen persönlicher Integrität oder die Erfüllung sonstiger gesetzlicher Voraussetzungen gebunden, man handelt dennoch zur Täuschung im Rechtsverkehr, wenn man sich als Sachverständiger in der Öffentlichkeit bezeichnet, ohne die vorerwähnten Voraussetzungen zu erfüllen. Bezeichnet sich jemand rechtswidrig als Sachverständiger, so kann er auf Grund § 5 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Außerdem ist zur rechtmäßigen Führung der Bezeichnung Sachverständiger erforderlich, dass die betreffende Person ihre besondere Sachkunde jedermann durch Erstattung von Gutachten anbietet (OLG München, WRP 1976, 202). Bleutge definiert den Sachverständigen als „…eine natürliche Person, die über besondere Erfahrungen und überdurchschnittliches Fachwissen auf einem abgrenzbaren Spezialgebiet verfügt und die ihre gutachterlichen Leistungen persönlich, unabhängig, unparteiisch, gewissenhaft und weisungsfrei erbringt.“ Die Voraussetzungen zur Verwendung der speziellen Bezeichnung „Sachverständiger für Immobilienbewertung“ hingegen wurden bisher noch nicht gerichtlich geklärt. Es gibt, wie bspw. im Kfz-Gewerbe, keinen Lehrberuf für die Grundstücksbewertung. Gute Voraussetzungen sind sicher eine abgeschlossene Ausbildung in einem einschlägigen Beruf (z.B. Immobilienkauffrau/ -mann etc.) oder besser ein abgeschlossenes Studium in einer einschlägigen Fachrichtung (bspw. Betriebswirtschaft oder Bauingenieurwesen usw.). Zusätzlich dazu ist eine ergänzende praktische Tätigkeit unverzichtbar. Des Weiteren sollte der „Sachverständige für Immobilienbewertung“ eine bewertungsspezifische Ergänzungsausbildung absolviert haben. In der Konsequenz bedeutet dies, das neben den zertifizierten und öffentlich bestellten Sachverständigen nur der die Bezeichnung „Sachverständiger in der Immobilienbewertung“ verwenden sollte, wer eine einschlägige Berufsausbildung und eine hinreichende fachspezifische Ergänzungsausbildung (z.B. durch langjährige Mitarbeit in einem Sachverständigenbüro oder eben durch eine berufsbegleitende Ergänzungsausbildung) durchlaufen hat. Zusatzbezeichnungen wie „geprüfter“ Sachverständiger oder „Verbands“-Sachverständiger und ähnliches dürfen nur verwendet werden, wenn die titelvergebende Stelle normierte Mindestanforderungen bei der Überprüfung der persönlichen und fachlichen Eignung gewährleistet.

2. Höchstpersönlichkeitsgebot

Im Gegensatz zu den als Kollegialorgan tätigen Gutachterausschüssen für Grundstückswerte erstattet der vom Gericht oder privat beauftragte Sachverständige seine Gutachten und andere Sachverständigenleistungen persönlich. Die Erstattung von Gutachten unterliegt dem sog. Grundsatz der Höchstpersönlichkeit. Für den öffentlich bestellten Sachverständigen regelt dies ausdrücklich die Sachverständigenordnung (§ 9 SVO). Unter persönlicher Leistung ist gemäß den Richtlinien zur Sachverständigenordnung zu verstehen, „dass der Sachverständige die wesentlichen Teile der Tatsachenermittlung und –feststellung, die Orts- und Objektbesichtigung, die Schlussfolgerungen, die Beurteilung und Bewertung grundsätzlich in eigener Person durchzuführen hat. Sämtliche Sachverständigenleistungen müssen auf der Anwendung der fachlichen Qualifikation und der Erfahrung des beauftragten Sachverständigen beruhen.“ (RL zur SVO, § 9, 9.2) Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit folgt zwingend aus der bereits beschriebenen Sachverständigeneigenschaft. Die Anforderungen an Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und besondere Sachkunde wären ohne den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit sinnlos.

3. Heranziehung von Hilfskräften

Der Sachverständige darf Hilfskräfte grundsätzlich nur zu Vorbereitungsarbeiten heranziehen. Vorbereitungsarbeiten sind solche Tätigkeiten, die keine fachliche Ausfüllung von Erfahrungssätzen, Beurteilungsspielräumen oder Ermessensentscheidungen erfordern, sondern sich auf die Feststellung von Tatsachen beschränken (RL zur SVO § 9, 9.6.2). Die Hilfskräfte können seine Angestellten sein, aber auch selbstständige Unternehmen. Die persönliche Verantwortlichkeit des Gutachters darf dabei nicht ausgeschlossen werden und der Umfang der von den Hilfskräften ausgeführten Arbeiten muss kenntlich gemacht werden. Nach Abschluss der vorbereitenden Arbeiten durch die Hilfskräfte muss der Sachverständige sein Gutachten eigenverantwortlich erstatten, denn es ist die Anwendung seiner Sachkunde, nicht die seiner Hilfskraft gefragt. Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit darf durch den Einsatz von Hilfskräften nicht durchbrochen werden.

4. Schweigepflicht

Gemäß § 203 Abs. 2 Nr. 5 StGB unterliegt der Sachverständige der Schweigepflicht. Diese geht auch aus § 15 SVO hervor.

5. Nebenpflichten

Neben seiner Hauptpflicht, der Erstattung eines Gutachtens mit vertraglich vereinbarter Beschaffenheit, bestehen für den Sachverständigen diverse Nebenpflichten. Diese ergeben sich aus der Treuepflicht i.S.d. § 242 BGB und der Obhutspflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB.

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